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Petition

«55 Stunden sind zuviel!

Bessere Arbeitsbedingungen von landwirtschaftlichen Angestellten» 

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Wer steht hinter dieser Petition? 
  • Die Petition ist lanciert worden von Aktivist*innen, die sich im Netzwerk «Widerstand am Tellerrand» engagieren. Das Netzwerk hat im Februar 2020 eine sehr erfolgreiche Tagung in Bern organisiert, an der aus verschiedenen Perspektiven über eine sozial-ökologische Transformation und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Landarbeiter*innen in der Schweiz debattiert und ausgetauscht wurde.
  • Unterstützt wird die Petition von einem breiten Netzwerk, u.a. Landwirtschaft mit Zukunft, Longo Mai, Plattform für eine sozial nachhaltige Landwirtschaft (Agrisodu), Sezonieri.at, CETIM, Solifonds, Europäisches Bürger*innenforum, Via Campesina, l’autre syndicat, SIT, UNIA, Uniterre, Kleinbauern-Vereinigung Pura Verdura, Radiesli, Ortolocco, Tapatate, Jardins de Cocagne, SP Kanton Zürich, Grüne Schweiz, Grünes Bündnis Bern.

 
Was bezweckt die Petition? 
Wir fordern, dass die kantonalen Normalarbeitsverträge (NAV) in den Kantonen Bern und Zürich den üblichen schweizerischen Arbeitsbedingungen angepasst werden müssen:
  • 45 Stundenwoche im Jahresdurchschnitt (bisher: 55) mit Begrenzung der Überstunden
  • Einführung eines verbindlichen Mindestlohns von 4'000 Franken brutto pro Monat
 
Zudem fordern wir eine Unterstellung der Landwirtschaft unter das Schweizerische Arbeitsgesetz.
 
 
Was ändert sich konkret mit der Einreichung der Petition? 
Die Petition möchte eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von hauptsächlich migrantischen Landarbeiter*innen anstossen – und damit gleichzeitig zu einer breiteren gesellschaftspolitischen Debatte für eine sozial-ökologische Transformation unserer Nahrungsmittelproduktion beitragen.
 
Es handelt sich um eine Petition, die noch keine direkte Umsetzung auf gesetzlicher Ebene ermöglicht. Jedoch werden unterstützende Parteien basierend auf dieser Petition Vorstösse im Zürcher Kantonsrat/Berner Grossrat einbringen.
 
 
Wieso wird diese Petition jetzt lanciert? / Gibt es mit der sistierten AP22 nicht wichtigere Themen? 
Die prekären Arbeitsbedingungen von Landarbeiter*innen sind bisher in der Schweiz kaum ein politisches Thema, was wir unter anderem mit dieser Petition ändern möchten. Zudem werden migrantische Landarbeiter*innen durch die Gewerkschaften wenig vertreten.
 
Auch wenn AP22+ (die Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022) zur Zeit sistiert ist, wurden im Rahmen der Vorbereitung darauf hin und jetzt im Nachlauf einige wichtige sozial-ökologische Themen politisiert und angegangen wie zum Beispiel die verbesserte soziale Absicherung von Bäuer*innen. Die prekären Arbeitsbedingungen von familienfremden Arbeitskräften in der Landwirtschaft wurden dabei jedoch bisher nicht aufgegriffen - wir finden: Es ist längstens Zeit dafür!
 
 
Wieso wird diese Petition in den Kantonen Zürich und Bern lanciert? 
 
  • Die kantonalen Normalarbeitsverträge (NAV) für landwirtschaftliche Angestellte variieren in der Schweiz stark – es handelt sich um ein föderalistisches Flickwerk: je mehr nach Norden/Osten in der Schweiz ein Kanton liegt, desto schlechter sind die rechtlichen Arbeitsbedingungen. Mit einer löblichen Ausnahme: Der Kanton St. Gallen hat ab 2021 den NAV angepasst auf 49.5h/Woche.
 
  • In den Kantonen Bern und Zürich gibt es eine hohe Gemüse/Früchte-Produktion, in der vergleichsweise viele migrantische Landarbeiter*innen beschäftigt sind.
 
  • In den Kantonen Bern und Zürich gibt es zudem Städte, in denen das Bewusstsein für lokale und sozial gerechte Nahrungsmittel-Produktion steigt und wo es Bewegungen und Initiativen gibt, die das Anliegen politisch voranbringen.
 
 
“Erntehelfer*innen”, “Landarbeiter*innen”, “familienfremde Arbeitskräfte” - um wen geht es in dieser Petition?        
     
Das traditionelle Bild einer familiären, bäuerlichen Landwirtschaft, das häufig propagiert wird, entspricht längst nicht mehr der Realität: Auch in der Schweiz haben wir es insbesondere in der Gemüseproduktion immer mehr mit einer intensivierten und grossflächigeren Landwirtschaft zu tun. Zunehmend sind es familienfremde Arbeitskräfte, die unser Gemüse kultivieren, ernten und abpacken und das Obst und die Beeren pflücken: 2018 waren laut offiziellen Statistiken rund ein Viertel der Beschäftigten (35’000) in der Schweizer Landwirtschaft “Lohnabhängige”. Diese werden häufig als saisonale Arbeitskräfte auf dem Ausland rekrutiert. Wobei zu bedenken ist, dass in dieser Statistik eine Reihe von Kurzaufenthalter*innen und die Sans-Papiers nicht repräsentiert sind und der Anteil um einiges höher liegt.
                   
 
Arbeitszeiten von Landarbeiter*innen
 
Wieso 45 Wochenstunden?
               
Arbeitnehmende in der Landwirtschaft arbeiten im Kanton Bern und Zürich gemäss der kantonalen Normalarbeitsverträge (NAV) 55 Stunden pro Woche - bei Wind und Wetter, glühender Hitze und strömendem Regen. Diese überlange Arbeitszeit ist längst überholt und muss den üblichen schweizerischen Arbeitsbedingungen angeglichen werden. Für «einheimische» Arbeitskräfte sind diese Bedingungen nicht mehr attraktiv und damit können kaum Menschen dazu animiert werden, eine Arbeit als Landarbeiter*in zu ergreifen.
 
Sind 45 Wochenstunden in der Landwirtschaft nicht unrealistisch?                    
Nein. Lange Arbeitszeiten schaden der Gesundheit und erhöhen die Unfallgefahr. Aus diesen Gründen hat der Kanton Genf bereits 2013 die Arbeitszeit im Landwirtschaftssektor auf 45 Wochenstunden reduziert.
   
 
Lohn von Landarbeiter*innen           
               
Wieso 4000 CHF brutto pro Monat? 
Der aktuelle, unverbindliche und empfohlene monatliche Mindestlohn in den meisten Kantonen beträgt in der Landwirtschaft 3’300 Franken pro Monat. Dies ist die Hälfte des Schweizer Medianlohns (2018: 6’538 Franken brutto). Davon können noch bis zu 990 Franken pro Monat für Kost und Logis abgezogen werden. Ein Mindestlohn von 4’000 Franken für Landarbeiter*innen ist immer noch bescheiden - in Anbetracht der harten Arbeit und der langen Arbeitszeit.
 
Ist dieser Mindestlohn nicht zu hoch / zu tief (im Vergleich zu anderen Sektoren)? 
  • Tatsächlich gibt es Branchen, in denen die Löhne ähnlich tief sind, beispielsweise in der Hauswirtschaft, dem Care-Sektor oder in der Gastronomie. Wir sind der Meinung, dass auch hier der Mindestlohn von 4000 Franken gelten sollte – für alle, egal woher sie kommen. Wieso soll eine Beschäftigung in einer systemrelevanten Branche nicht zu einem würdigen Leben in der Schweiz reichen und gar ein Armutsrisiko darstellen?
  • In verschiedenen Kantonen und Städten sind Mindestlöhne bereits umgesetzt oder werden aktuell politisch eingefordert:
    • In den Städten Zürich, Winterthur und Kloten und im Kanton Basel-Stadt wird aktuell ein Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde gefordert (LINK?)
    • In diesen Kantonen sind Mindestlöhne bereits umgesetzt: Kanton Genf (23.-), Neuenburg (20.-), Jura (20.-), Tessin (19.-) - wobei hier aber die Mindestlöhne für Landarbeiter*innen jedoch bisher nicht gelten....
 
 
Was ist mit den Landwirt*innen und Bäuer*innen? 
Wieso konzentriert sich die Petition auf Landarbeiter*innen und nicht auch auf Landwirt*innen, Bäuer*innen (und nicht-familienfremde Arbeitskräfte)?  

Die hauptsächlich migrantischen Landarbeiter*innen haben in der Schweiz bisher kaum eine Lobby und verfügen zudem über kein Stimm- und Wahlrecht.
Die Petition wird von Kleinbäuer*innen-Vertreter*innen und einer breiten Koalition von Verbänden und Organisationen unterstützt, die sich für einen grundlegenden sozialökologischen Wandel der Schweizer Landwirtschaft stark machen.
 
Weniger Arbeitsstunden und höhere Löhne - gehen da die Arbeitgeber, insbesondere kleine landwirtschaftliche Betriebe, nicht bankrott? 
 
Die politische Frage lautet eher: Kann es sich die Schweiz leisten, ihre eigene landwirtschaftliche Produktion auf dem Rücken der Kleinbäuern*innen und der Landarbeiter*innen auszutragen? Hier geht es auch um eine Verantwortung der Politik!
 
Der grösste Teil der migrantischen Landarbeiter*innen arbeiten auf grossen Gemüse-betrieben. Tatsächlich kann es für kleinere Betriebe schwierig sein, faire Löhne zu bezahlen. Die Lösung hierfür sehen wir jedoch nicht in einer Weitergabe der Prekarität «nach unten». Vielmehr soll durch die Petition eine grundlegende Debatte über die Preisstruktur in der Schweizer Landwirtschaft angestossen werden. Dazu gehört in unseren Augen dringend auch eine Debatte über die hohen Margen der Supermärkte!
 
Wie sich in den letzten Jahren (bereits vor Corona!) gezeigt hat, haben Bauern und Bäuer*innen zunehmend Mühe, Arbeitskräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, weil die Bedingungen zu wenig attraktiv sind. Inzwischen werden die Arbeitskräfte von immer weiter her angeworben – z.B. zunehmend aus Rumänien. Zwischen den Bäuer*innen in Ländern wie Österreich, Deutschland und der Schweiz ist ein regelrechter Wettlauf um migrantische Landarbeiter*Innen entfacht. Auch die Schweizer Bäuer*innen müssten doch ein Interesse daran haben, dass die Arbeit in der Landwirtschaft attraktiver wird!
 
 
 
Grundsätzliches
 
Ist das nicht der falsche Ansatz - bräuchte es nicht einen gesamten Wandel im Agrarsektor? 
Ja klar - unsere Petition ist genau in diesem Sinn gedacht und stellt einen ersten Schritt in diese Richtung dar. Wandel geschieht, indem sich in vielen Bereichen gleichzeitig etwas bewegt. Wir begrüssen aktuelle Bestrebungen wie die Verbesserung der sozialen Absicherung von Bäuer*innen; höhere Produktpreise für Produzierende; nachhaltigere Handelsstrukturen und ein Stopp für weitere Freihandelsabkommen.
 
Gibt es während Corona nicht wichtigere Probleme? 
Nein, Corona hat genau aufgezeigt, dass es nicht nachhaltig ist und sich gesellschaftliche Krisen verschärfen, wenn systemrelevante Arbeit geprägt ist von prekären Bedingungen. Deshalb gilt auch hier: Eine Rückkehr zur «Normalität» ist keine Option, wir brauchen einen System Change!
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